Südafrika - 12 Monate in der Regenbogennation: Mai 2014

Mittwoch, 14. Mai 2014

In der Pampa ist mein zu Haus'!

Hallihallo und so!
Ich melde mich zurück aus der heiß-geliebten Pampa.
Da ich ja nach einem langen, langen Schreibzyklus endlich meine fünfteilige Ausgabe des Urlaubsbericht abschließen konnte, werde ich mich nun wieder mehr den Alltagsgeschichten widmen...Mir ist übriegns ziemlich kalt.

Youth Club mit Lea
Zurück zur Farm. Nachdem ich aus Kapstadt wieder gekommen war, kam ein ziemlich spontane Aktion auf mich zu. Lea, mit der ich zuvor in Kapstadt war, hatte es die zwei Tage davor auf der Farm sehr gut gefallen und außerdem fand sie es schade, dass sie sich keine Projekte von uns angucken konnte, sodass sie kurzerhand entschloss, zurück nach Südafrika zu fliegen um sich weitere drei Wochen dem Leben hier zu widmen. Drei Wochen lang hatten wir entsprechend noch einen weiteren Besucher, bis zu Anjas Abgang waren wir also zu neunt auf der Farm.

Der kleine Merlin
Lea hatte sich recht schnell sehr gut eingelebt (wir sind eine sehr offene Gruppe) und fand Gefallen an unserem sehr reduziertem, aber trotzdem spannendem Leben. Die allgemeine Stimmung hingegen war zu dieser Zeit eher komisch, denn Anja sollte uns nach knapp sechs Monaten schon wieder verlassen - wie schnell doch die Zeit vergeht?! Nach einer durchwachsenen Abschiedsparty und einer schweren letzten Zeit brachten wir Anja am Ostersonntag zur Tankstelle in Groot Marico, wo täglich ein Reisebus mit Ziel Johannesburg vorbeifährt, den sie heute auch nehmen würde. Ein von uns gemachtes Abschiedsbüchlein gab es noch dabei und auf einmal waren wir nur noch zu acht auf der Farm.

Das folgende Wochenende war ein langes, Ende April sind in Südafrika immer sehr viele Feiertage, vor allem für Schulen und Kindergärten. Leider hatten wir nicht wirklich etwas geplant für dieses lange Wochenende, wodurch wir uns bis auf faulenzen, aufräumen und waschen auf einen kleinen Ausflug zu einem Kirchenfest und einem gemeinsamen Mittagessen in einem (also, eigentlich dem Restaurant) in Groot Marico beschränkten.
Auf dem Kirchenfest gab es neben köstlichem Entertainment durch überzeugende Acts mit Buren-Schlager-Musik und passenden, modernen Outfits (vorsicht, Ironie!) auch eine Auktion - versteigert wurden unter anderem Geschenkekörbe, wertvolle CDs der "Drei Brüder des Buren-Schlagers" und zu guter letzt zwei Stafford-Hundewelpen! Wenn das nicht mal ein Fest war...
Um Euch einen kleinen Einblick in dieses neue, unbekannte Genre des Buren-Schlagers zu geben, hier ein Video des neuen Number-One-Hits, des Chartstürmers schlechthin (mit dunklen Haaren und recht durchschnittlichem Gewicht ist Pieter Smith eigentlich recht unburig):


 Um das Fest nicht nur runter zu machen, nun auch etwas sehr positives - an den unzähligen Ständen wurden neben den neuesten Gaspistolen und Elektroschockern, sowie den ebenfalls neuesten Trends der Buren-Arbeiterklamotten (khaki-Hemden und viel zu kurze Hosen) auch Handcrafts der armen Bevölkerung verkauft und der Erlös des extrem günstigen und trotzdem guten Essens ging an die Kirche Groot Maricos.

An einem Wochenende löste Arno sein Versprechen für unsere hohe Beteiligung an den Arbeiten der Fahrradfabrik ein - wir fuhren Samstags morgens um sechs Uhr los, Richtung Pilanesberg Nationalpark (ein kleiner, aber feiner Nationalpark, der sehr nahe bei uns liegt und auch mit den Big Five wirbt). Auf dem Weg fuhren wir noch auf einen Berg, den man bei guter Sicht auf der gegenüberliegenden Seite des Farmwegs sehen kann. Oben auf dem Berg rief Arno Beate auf der Farm an, sie solle doch bitte mit einem Spiegel auf dem Bakkie auf den Farmweg fahren und die Sonne zum Berg hin reflektieren. Tatsächlich konnten wir ein paar Mal ein deutliches Aufblitzen am Horizont erkennen, das konnte nur der Spiegel sein, mit dem Beate auf dem Farmweg stand!
Auf dem Berg
Anschließend ging es weiter in den Park, der landschaftlich auf jeden Fall überzeugend war und nicht so kommerziell ausgerichtet schien, wie es zum Beispiel der Krügerpark oder der Addo Elephant National Park sind. Leider konnte ich wieder keinen Blick auf das fehlende Tier in meiner Tierparkchronik erhaschen, nämlich auf einen ausgewachsenen Papa-Löwen, auch genannt Mufasa. Dafür gab es aber kleine Schildkröten im Wasser, ein großes Nashorn ganz nah, unzählige Giraffen und Elefanten, Gnus, einen Schakal und, und, und. Der Ausflug war auf jeden Fall ein tolles Erlebnis, vor allem hat das Fahren mit 13 Personen in unserem Minitaxi auch nochmal ein ganz anderes Flair als zu viert in einem Mietwagen (vor allen Dingen mit Arno an Bord ist es doch immer wieder amüsant).
Nach einer auf drei Tage reduzierten Woche (Feiertag und Einkauf in Zeerust) war dann aufgrund von vielen Feiertagen aneinander schon wieder eine Woche Ferien. Um nicht wieder die gesamte Zeit abgeschottet auf der Farm zu hocken, beschlossen wir nach Johannesburg zu fahren. Wir freuten uns sehr, endlich wieder in einer normalen Großstadt zu sein, in der die Divergenz zwischen schwarzem und weißem Leben sehr viel reduzierter ist als zum Beispiel bei uns auf dem Land. Es war schön, einfach in einem modernen Restaurant an der Straße eine Pizza essen zu gehen, begleitet von natürlichem und heimischem Großstadt-Ambiente. Mit dem gemieteten Auto nach langer Zeit mal wieder ein wenig durch die Gegend zu cruisen hatte für mich natürlich auch einen ganz besonderen Charme (VW Jetta "Simon" ist leider schon etwas länger aufgrund eines Wassereinlaufs im Herzen bettlägerig. Verkauf steht ihm bevor...).
Rutscheeeeeeeeen!
 In den fünf Tagen in Joburg waren wir in zwei verschiedenen Backpackern. Der erste, wirklich schöne und nett ausgestattete im Herzen Melvilles (Vorort von Johannesburg in der Nähe des teuersten Viertels Südafrikas) besuchten wir noch mit Lea und Wolfram, in dessen Geburtstag wir in einer Billardbar hineinfeierten. Wir besuchten außerdem eine Mall, in der wie üblich sehr exzessiv geshoppt wurde- vor allem für den anstehenden, harten Winter. Lea verließ uns zusammen mit Wolfram nach zwei Tagen, sie flog zurück nach Deutschland, er fuhr zurück zur Farm. Wir anderen, Toni, Friedi, Freddie, Marlene und ich (Melanie noch mit ihren Eltern im Urlaub) reisten weiter in einen anderen Backpacker nach Braamfontein in der Nähe vom Zentrum. Als Arno hörte, dass wir uns zwei Tage in diesem Viertel aufgehalten hatten, schüttelte er übrigens nur mit dem Kopf und meinte, wir hätten unsere Schutzengel für die nächsten Wochen erst einmal zur Genüge beansprucht. Im Gegenteil aber scheint Braamfontein momentan sehr im Kommen zu sein, an vielen Ecken stehen Parkplatzwärter und Security-Männer, direkt neben hippen und geschmackvoll eingerichteten Bars, Hostels und Restaurants. Wir fuhren von dort aus in einen Freizeitpark der einer von der Sorte war, wie es sich gehört! So normal, schon fast Deutsch, unter so vielen Menschen acht mal hintereinander dieselbe Achterbahn zu fahren...hör mir auf, das Paradies auf Erden - und das für schlappe 10€ Eintritt...
Um auch etwas für die Bildung zu tun, besuchten wir außerdem das uns im Voraus hoch angepriesene Apartheidsmuseum nahe des Freizeitparks. Das Museum eilte seinem Ruf voraus, wir verbrachten knapp fünf Stunden am Stück und ohne Pausen in den Ausstellungsbereichen und waren anschließend gleichauf begeistert und voller Wissen über Südafrikas hochskurrile und interessante Vergangenheit, die erschreckend kurz zurückliegend erst ihren Abschluss gefunden hat und dessen Überbleibsel immer noch merklich zu spüren sind.

Das Brautpaar
Kaum waren wir zurück auf der Farm folgten wir schon am nächsten Morgen einer Einladung auf eine Hochzeit von Friedis Kollegin in der Schule. Unerwartet aufwendig, wie die Hochzeit aufgezogen war, gingen wir in unseren doch ziemlich légèren Klamotten gegenüber der schicken Community etwas unter. Zum Glück bleibt einem bei sowas immer noch der Weißen-Bonus: Als einzige Weiße, noch dazu Deutsche Voluntäre, die zu sechst auf einer gänzlich schwarzen Hochzeit erscheinen, wird man nunmal trotzdem in der Dankesrede erwähnt - auch, wenn man noch dazu aufgrund von Liftmangels erst spät dazustoßen kann, hihi.

Tänzer auf der Hochzeit
Die folgende Woche, mal wieder eine Arbeitswoche, war dann doch eine Farce, denn wir arbeiteten einen Tag bei den Fahrrädern, dann einen Tag in Zeerust für unseren Haushalt und vor allem für unsere bevorstehende Jugendfreizeit "Shalom", anschließend war wegen der Wahlen Feiertag.

Fahrradfabrik
Die Wahlen haben wir doch etwas mehr mitbekommen als erwartet. Die Community hat sich wirklich viel über dieses Thema unterhalten und relativ viele sind wohl auch tatsächlich wählen gegangen (obwohl das Ergebnis für alle Provinzen außer der Provinz Gauteng um Pretoria und Johannesburg eh schon feststand). Wie ihr wahrscheinlich schon vor mir wusstet, hat der aktuelle Präsident Jacob Zuma mit seiner links angeordneten Partei ANC, dem Afrikanischen National Kongress, mit über 60% der Stimmen die Wahl ohne Abstriche an sich reißen können. Obwohl die Partei seit langem wegen Korruption und Inkompetenz in der Kritik steht, bleiben (übrigens fast ausschließlich schwarze) Wähler loyal, denn schließlich haben sie dieser Partei die Freiheit zu verdanken und sind entsprechend ewig dankbar. Dass sich Kapstadts Bischof und Anti-Apartheids-Aktivist Desmond Tutu mittlerweile gegen die ANC stellt und sich "von den Taten und Ansichten der Partei distanziert" wird entweder ignoriert oder nicht gewusst; dass sich Präsident Zuma von umgerechnet 10 Millionen Euro Steuergeldern oder mehr ein angebliches Sicherheitsupgrade für seine Privatresidenz inklusive 25m-Schwimmbecken und Hühnerauslauf einrichtet, wird bei uns zum Teil wiefolgt kommentiert: "Er ist halt das höchste Tier, unser Anführer. Anführer dürfen das halt!".

An diesem Wochenende folgte dann endlich das lange geplante und mit Spendengeldern abgedeckte "Shalom", die Jugendfreizeit, die die Freiwilligen mit den Kindern aus der Quiet Living Region um unsere Farm herum veranstalten (DANKE an EUCH!). In "Shalom" (Hebräisch, "Friede"), wie die Farm heißt, auf der wir uns aufhielten, hatten wir für die Kids viele Aktivitäten vorbereitet, Essen bereitgestellt, Zahnbürsten, Zahnpasta und viele Geschenke gekauft, T-Shirts bemalt und mit Schablonen besprayt, und, und, und. Für die ca. 10- bis 20-jährigen in unserer Gegend um Skuinsdrift, die zur ärmsten Provinz Südafrikas gehört, ist dieses Wochenende das absolute Highlight des Jahres und schon von Beginn an wurden wir mit Fragen um Shalom bombadiert. Nun ist es schon wieder vorbei - Shalom zeigt den Kindern eine nette Alternative zu ihrem Alltag.
Die Shalom-Truppe
Da die Kinder aus armen Verhältnissen kommen, können sie die Kosten des Wochenendes nicht ansatzweise stemmen (sie zahlen für drei Tage umgerechnet 0,70€ pro Teilnehmer), weswegen wir ausschließlich auf Spenden angewiesen waren. Aufgrund der vielen, hilfsbereiten Spender kamen wir auf eine betrachtliche Summe, wodurch wir nicht sparen mussten und den Kindern viele, für ihre Verhältnisse luxuriöse Dinge bereitstellen konnten.
Für uns neun Freiwillige (Thuto Motheo war auch mit dabei) war das Wochenende natürlich sehr anstrengend und hier und dort gerät man bei 30 pubertären, schwarzen, aufgedrehten Jugendlichen, für die man drei Tage lang alleine die Verantwortung trägt etwas in Rage, aber dennoch haben die Tage sehr Spaß gemacht und uns in unserem positiven Gefühl, dass wir aus Südafrika mit nach Hause nehmen werden, bestärkt.

Netz anbringen
Tortransport
In meinen Projekten läuft es so weiter wie seit längerem  schon. Durch die unzähligen Feiertage und der Tatsache, dass meine niedrigste Priorität auf der Schule liegt, gebe ich dort nur noch vereinzelt Nachhilfestunden oder helfe den Lehrern im Unterricht. Letztens wurde ich als Ratgeber und Fragenbeantworter in der 10. Klasse ins Fach Geschichte hinzugezogen, da der Nationalsozialismus gerade thematisiert wurde und ich als Deutsche viel darüber sagen kann. Nach den Ferien im April (kurz nach meinem Kurzausflug nach Kapstadt) konnte ich endlich das noch von Yannick geschweißte und von mir bemalte und benetzte Tor in die Schule bringen. Auf dem Anhänger von unserem Taxi wurde es mehr schlecht als recht befestigt und ich hatte während der gesamten Fahrt nach Koffiekraal Angst, dass es gleich herunterfällt, aber dennoch passierte nichts und das Tor konnte wohlbehalten in meiner Schule abgeliefert werden. Dort wurde noch das Netz befestigt und schon konnten wir das Tor ausprobieren. Achja, ein herrliches Gefühl mal wieder nahezu normal aufs Tor werfen zu können (auch wenn der Kreis nach Augenmaß im Sand gezogen wurde und dauernd verschwand). Meine AG-Mädels waren ebenfalls total begeistert, auch wenn es wirklich extrem schwierig ist, ihnen die richtigen Regeln nahe zu bringen (sie kennen die Sportart überhaupt nicht, auch nicht aus dem Fernsehen oder ähnlichem...).

Einweihen!
Ah Ram Zam Zam in der Crèche
Für den Kindergarten hatte ich bei einem Einkauf in Zeerust 55 Zahnbürsten und eine Packung Zahnpasta gekauft, denn ich wollte dort gerne eine regelmäßige und konstante "Toothbrushing-Time" einführen. Leider werden die Kindergärten nicht mehr staatlich gefördert, sodass diese meist gar keine Mittel haben, wenn schon der Wille zu solchen wichtigen Veränderungen da ist (die Kinder haben oft sehr, sehr schlechte Zähne schon in sehr jungen Jahren, was natürlich nocheinmal dadurch verschlimmert wird, dass nie ein Zahnarzt besucht wird und selbst wenn gar keiner in einem erreichbaren Umkreis vorhanden wäre). Von nun an werden also jeden Tag gemeinsam die Zähne geputzt, die Kids stehen dann alle aneinander gereiht mit Becher und Zahnbürste ausgerüstet am Zaun und versuchen sich im eigenständigen Zähne polieren.

Der Farmweg
So, das war es erst einmal wieder von der guten alten Quiet Living Farm irgendwo im Nirgendwo (uns gibt es übrigens seit Neuestem auch bei Google Maps zu finden!), ich hoffe, in den nächsten Wochen passieren noch ein paar interessante Dinge, die ich Euch dann mit Freuden mitteilen kann. Bis dahin, genießt die warmen Maitage in Deutschland (höhöhöhöhöhöhöhö) und denkt dabei daran, dass ihr wenigstens ins Haus gehen könnt, wenn Euch die 4 Grad draußen zu kalt sind. Peace out!

P.S.: Projekt: t-6 Wochen!!!