So meine lieben Heimatvertreter,
nach langer Durststrecke kann ich mich nun endlich wieder aus dem Sumpf der Internetabstinenz erheben (auch wenn man hier leider niemand anderen beschuldigen kann, als mich selbst).
Ehrlich gesagt ist aber nicht mehr wirklich viel passiert, insbesondere seitdem das, was passiert, schnell in die Alltag-Schublade eingeräumt wird. So waren meine letzten Wochen zwar weit entfernt von langweilig und öde, dennoch sind es nicht gerade die Erlebnisse, die einem seither im Nacken sitzen und einen drängen, sie an die Blogleser preiszugeben.
So waren wir unter anderem erneut auf einem Kirchenfest, haben wie immer in unseren Projekten weitergearbeitet, weitere Aktivitäten geplant, ich habe zusammen mit Freddie etwas mehr als eine Woche gebraucht um Material für das zweite Farmvideo zu sammeln und anschließend zu schneiden und außerdem kann man, wer hätte das gedacht, auch von hier aus sehr gut und etwas multikultureller als Daheim die WM verfolgen.
Den heutigen "badisch-württembergischen Kracher" (zeit.de), der hier in Südafrika aufgrund des fehlenden Hintergrundwissens auch ohne den Hauch Gijón diskutiert werden darf, werden wir wahrscheinlich bei einem unserer schwarzen Nachbarn sehen, der einen Fernseher in seinem Hüttchen hat. Nachdem wir die letzten beiden Deutschland-Spiele (da kein eigener TV hat es für mehr leider nicht gereicht) in unserem Stamm-Pub mit fetten Boxen und großem Flachbildschirm und bei unseren britisch-afrikaaanschen Nachbarn mit noch viel fetteren Boxen und noch viel größerem Flachbildschirm (auch eine Eiswürfelmaschine und Billardtisch, es wäre das Paradies für dich, Brudi) gesehen haben, hören wir jetzt also auf mit den Riesentorten und backen wieder kleinere Brötchen. Die Chancen sind relativ hoch, dass das Bilderlebnis bei der angestrebten Location (die Wellblechhütte unseres Nachbarn) trotzdessen und unter Umständen etwas besser ist, als mein letztes EM-Erlebnis vorm heimischen Fernseher (ich hörte, das hat sich zum Glück nun geändert - der nette Planet mit orangenem Ring aus Solingen-Mitte lässt grüßen).
Von meinem Sixpack Bier, der Einsatz für unser farminternes WM-Tippspiel, kann ich mich jedenfalls schon mal verabschieden, denn bei diesem verrückten Großereignis dort drüben in Brasilien hatten eher die Waghalsigen oder Unwissenden eine realistische Gewinnchance.
So, soweit zum Thema Fußball. Mir fällt auf, ich habe schon länger nicht mehr über Katzen geredet, was möglicherweise mit den Negativereignissen der letzten Wochen zusammenhängt. Mein bester Freund und Hüttenmitbewohner, Kater Merlin, hat leider kein Schengen-Visum bekommen, dafür war er leider zu spät dran. Die Beantragung in Form von Microchip-Implantation, Impfung, Blutabnahme und Registrierung hätte schon Ende März gestartet werden müssen, dafür war Merlin leider am Zeitpunkt der geweckten Ambitionen einen Monat zu spät. Soweit also zur legalen Variante! Falls er eine mögliche, bis zu 20.000€ schwere Strafe, die auch mit Abschiebung oder Tod druch Spritze ergänzt werden kann, in Kauf nehmen würde, könnte er sich auch in meinem Rucksack verstecken. Nach langen, bis in die Nacht reichenden Diskussionen entschieden Merlin und ich uns aber dafür, diese Option zu verwerfen. Da Merlin noch nicht volljährig ist und auch erst in zwei Jahren sein wird, besteht immer noch die Möglichkeit eines verspäteten, begleiteten Überflugs, für die es spezielle Organisationen gibt. Weitere Informationen sind noch nicht vorhanden, allerdings hat Merlin aus einer Mail des Veterinär des Frankfurter Flughafens erfahren, dass schon die Check-Gebühr dort bei ca. 100€ liegen würde. Außerdem ist Merlin ein bisschen schlecht geworden, als er daran denken musste, dass er ganz alleine mehr als 14 Stunden alleine durch die Welt reisen müsste, um nach Deutschland zu migrieren.
Das Farmvideo 2.0 (1.0 findet ihr in mini rechts oben in der Ecke) ist übrigens nach vielen Stunden mit meinem neuen Freund "Sony Vegas Movie Studio Pro" endlich final und äußerst zufriedenstellend gerendert worden. Ursprünglich von der Intention geleitet, den zukünftigen Freiwilligen, unseren Nachfolgern also, im Zuge des am Samstag startenden Vorbereitungsseminars einen netten Einblick in unsere Welt zu ermöglichen, ist es nun auch für uns eine wundervolle Erinnerung an unsere Zeit hier und auch für unsere Freunde, Verwandte etc. eine tolle Möglichkeit, unseren Erfahrungen hier etwas näher zu treten.
Das Farmvideo und auch das schon länger fertiggestellte Shalom-Spendenvideo sind übrigens gestern von Arno und Beate in Köln an Papa übergeben worden, damit Brudi es so schnell wie möglich bei YouTube hochladen und wir es verbreiten können. Wenn dies erfolgreich war, erhaltet ihr selbstverständlich hier und unter Umständen per Mail eine kurze Nachricht von mir!
Meine Projekte stagnieren momentan etwas, was ganz nach südafrikanischer Moral aber auch gar nicht schlimm ist. Ich bin hier in der Crèche, dort in der Schule, dann am Video filmen oder schneiden, oder, oder oder. Abgesehen davon, ist morgen der letzte Schultag vor den dreiwöchigen Ferien!
In den Ferien geht es gegen Anfang Juli auch noch einmal mit Freddie und Friedi, zwei Mitfarmern, in den ca. zweiwöchigen Urlaub nach Namibia. Unser Plan: Kein Plan! Mit dem Bus auf nach Windhoek, dort ein Auto mieten und mal schauen wo uns die Einheimischen so hinempfehlen. Zum Glück haben wir zusätzlich auch noch ein paar Mitfreiwillige in dem ex-deutschen Land, denn das DSJW entsendete 2013 zum ersten Mal auch dort hin weltwärts-Freiwillige. Das einzige fest geplante ist der Besuch der hochangepriesenen "Victoria Falls" im Dreieck zwischen Sambia (nördlich), Simbabwe (südlich) und Namibia (westlich). Mal sehen, was der Urlaub so bringen wird, ich werde sicherlich danach noch einmal kurz Zeit finden (auch wenn dann krasse Aufbruchstimmung herrschen wird) euch von meinen Erlebnissen zu berichten (zumindest ein paar Bilder werden drin sein).
Am Wochenende sind ein paar von uns, mich eingeschlossen, für eine Übernachtung erneut auf der Shalom-Farm. Dieses Mal aber nicht mit nervenzerreißenden, energiegeladenen Teenagern, sondern mit den Erzieherinnen der Gegend. Diese erhalten während des zweitägigen Seminars die Grundlagen der Ersten Hilfe vermittelt und zugleich noch ein paar warme Mahlzeiten. Der Workshop soll den Erzieherinnen vor allem erleichtern, mit alltäglichen Verletzungen der Kinder umzugehen und Falschbehandlungen vorzubeugen. Ich bin sehr gespannt, wie der Kurs im Vergleich zu meinem eigenen vor zweieinhalb Jahren ablaufen wird.
Vollgestopft wie die Tage momentan sind, steht am Montag schon die nächste Aktivität an. Mit den übrigen Geldern der Shalom-Spenden haben wir einen Tagesausflug nach Pretoria in den Zoo angesetzt, dieses Mal für alle Kinder, die altersbedingt nicht bei Shalom waren, aber aus dem Kindergartenalter raus sind. Endlich dürfen die fünf- bis zehnjährigen die Tiere, die ihnen in Kindergarten und Vorschule dauernd beigebracht werden, auch mal von Nahem sehen. Es ist auch sehr wahrscheinlich, dass es für viele das erste Mal sein wird, dass sie aus unserer Region mehr als zwanzig Kilometer raus kommen. Wir freuen uns auf jeden Fall schon auf den Ausflug, denn die Kinder hatten schon wieder dieses leidenschaftliche Leuchten in den Augen, nachdem wir ihnen erklärt hatten, dass sie echte "Lions", "Elephants" und "Giraffes" sehen werden.
So, das war es jetzt erstmal wieder aus dem ewig kalten Südafrika, dass mich nicht mehr ohne Wärmflasche schlafen lässt und mich morgens jedes Mal aufs Neue prüft, wenn ich mit kondensierendem Atem unter meiner Rettung, der riesigen, dicken Decke liege...
Ein fettes SCHLAAAAAAND für heute Abend auch aus Afrika!
P.S.: Mein dritter Quartalsbericht war auch wieder fällig. Als PDF könnt Ihr diesen und die vorigen recht in der Leiste finden und herunterladen.