Kelapile! Einfach kelapile. Das ist Setswana (ausgesprochen: Sssswana) für "Ich bin müde". Und das bin ich auch wirklich noch, vor allem nach diesem abenteuerlichen Wochenende beziehungsweise der gesamten letzten Woche.
Montag war soweit noch alles ruhig - es hat wohl eine Hütte auf dem Grundstück gebrannt (keine Angst, nicht auf dem umzäunten Farmgelände), das habe ich aber nicht mitbekommen, da ich laut Musik hörend meinen letztigen Blogeintrag verfasst habe.
Tagsdarauf ging es gegen 17 Uhr zum Fußballtraining in der Nähe. Training heißt in diesem Sinne einfach nur ein bisschen spielen. Obwohl die Locals wirklich sehr, sehr gut Fußball spielen (weniger körperbetont, dafür technisch hochbegabt), werden alle mit eingebunden, klein und groß, stark und schwach. Leider haben wir dieses Mal nicht auf Tore gespielt (ohne Tore ist doch doof...), trotzdem hat es sehr gut getan und Spaß gemacht. Gleichzeitig wurde es am Ende anstrengend für die Augen, da bis zur absoluten Dunkelheit gespielt wird. Im Übrigen sogar ziemlich unfair, da man als Weißer im Gegensatz zu den Schwarzen bei fortschreitender Dämmerung besser zu sehen ist.
Mittwoch ist die Fußball-AG, anders als angekündigt, noch nicht angelaufen, da Friederike und ich mit ihren Lehrern der Primary School nach Rustenburg gefahren sind, um dort eine ehemalige, kranke Lehrerin zu besuchen. Da wir 100 Rand für die Fahrt gezahlt hatten, haben wir schon erwartet, Zeit in der Stadt oder in Einkaufszentren verbringen zu können. Aus den 30 Minuten, die die Lehrer im Krankenhaus verbringen wollten, wurden allerdings sehr schnell anderthalb Stunden und dementsprechend wenig Zeit hatten wir in der großen Waterfall Mall am Rande Rustenburgs. Aber immerhin besser als gar nichts, zwischenzeitlich hatten wir sogar angezweifelt, ob wir überhaupt über den Krankenhausbesuch hinaus kommen würden...Letztendlich haben wir sogar die ein oder andere Sache für den Matric Dance in Mafikeng kaufen können (Schulabschlussfeier der 12er Jahrgänge), mitunter einen schwarzen Rock und ein Oberteil von Mr. Price (≠ KIK!) für insgesamt 15€.
Der Rückweg mit den Lehrern im Minitaxi entpuppte sich als etwas anstrengend, da die ganze Zeit Setswana geredet wurde und wir in die Dunkelheit hinein fuhren. Letztendlich wurden wir an der Straße am Farmweg raus gelassen, dafür ist der Fahrer extra einen Umweg gefahren (nach Einbruch der Dunkelheit zu liften ist wohl gefährlich). Allerdings hatten wir anschließend noch zwei Kilometer Farmweg vor uns, nur mit meinem mäßig hellem Handylicht bewaffnet. Als wir auf circa der Hälfte des Weges hinter uns ein Pfeifen warnahmen, wurde es doch etwas gruselig, da um einen herum mangels Straßenlaternen wirklich nichts zu sehen ist. Friedi entschied, Arno anzurufen, sodass wir wenigstens so lange mit ihm reden konnten, bis wir an der Farm ankommen würden. Irgendwie verlief das Gespräch dann nicht so, wie gewollt und Arno legte auf, da er das Tor aufmachen wollte. Abwechselnd vor und hinter uns leuchtend gingen wir verängstigt und alleine den Weg entlang, als urplötzlich eine unbekannte Person mit einem lauten "Waaaaaaah" aus dem Gebüsch neben Friedi gesprungen kam. Und die Moral von der Geschicht: Hast du Angst, sag's Arno nicht!!! Mein armes Herzchen pocht jetzt noch, wenn ich an den Moment zurückdenke.
Von Donnerstag gibt es soweit nichts Spannendes zu erzählen, außer, dass Fußball mit Toren doch um einiges cooler ist als ohne! Ach, doch noch was vergessen. Auf dem Rückweg im Dunklen wäre ich fast auf einen Skorpion
getreten, der vor mir im Sand lag. Nun sind also alle meine Illusionen
gebrochen...In Südafrika gibt es große Spinnen, böse Schlangen und auch
noch fiese Skorpione! Ich hoffe, meine Hütte ist denen zu unaufgeräumt...
Freitag war wieder mehr oder weniger "Free Friday". Die Schule war dieses Mal aber nicht wirklich früher aus, da diese Woche Examen in allen Klassen geschrieben wurden und die Lehrer die Aufgaben immer viel zu spät rausgeben, da ihnen fünf Minuten vor Unterrichtsbeginn einfällt, dass sie noch 138 Kopien anfertigen müssen. Die Einstellung der Lehrer ist also eher bei Woche gegen Ende stark gegen Null fallend (yeah, Mathe im Abi!). Leider konnte ich diese und auch noch die jetzt folgende Woche aufgrund dieser Examen keine einzige Unterrichtsstunde geben. Die Schüler waren den ganzen Tag beschäftigt (vielfach im Zuge eines netten Schläfchens) und so blieben für mich spannende Aktivitäten wie die Klasse beim Test beaufsichtigen oder die Endnoten der Examen in eine Tabelle zu übertragen.
Zwischendurch schrieb mir Wolfram, ob ich Lust hätte, am Wochenende mit nach Pretoria zur Deutschen Schule zu hiken. Da dort zwei andere weltwärts-Freiwillige im Projekt sind, könnten wir bei ihnen übernachten, außerdem sei dort an diesem Wochenende Oktoberfest. Eigentlich wollte ich ja schon zu drei anderen Freiwilligen sechs Kilometer entfernt von uns, doch diese hatten auch alternative Pläne.Somit entschied ich mich, den Trip mitzumachen. Ich musste eigentlich auch gar nicht lange überlegen, da ich erstens sowieso Mal nach Pretoria wollte und zweitens bekennender Party-Schlager und Weizen-Fan bin. Letzteres wurde zusammen mit einer deutschen Stadlband extra für das Fest eingeflogen.
Am Samstag, früh am Morgen, starteten Wolfram, Freddie und ich nun unser Abenteuer. Schließlich sind es bis nach Pretoria ca. 230 Kilometer, die wir nur mittels trampen überwinden wollten. Den ersten Lift bis nach Groot Marico hatten wir glücklicherweise in Arno gefunden, der ohnehin ein bisschen in die Richtung fahren musste. Von Groot Marico aus dauerte es nicht lange, bis ein netter, weißer, hobbymäßig Motorcrossfahrender Südafrikaner uns auf seinem Pick-Up bis nach Swartruggens mitnahm.
Von hier aus wurde es nun etwas schwerer eine Mitfahrgelegenheit zu bekommen, da die Bedingungen in dem kleinen Ort eher schlecht waren. Wir versuchten auf einem Parkplatz eines Schnellrestaurants Kontakt zu den Fahrern herzuzstellen, was vorerst weniger erfolgreich blieb. Ein jüngerer, farbiger Mann im Golf sagte mit voller Überzeugung zu Wolfram, dass er uns nicht mitnehmen könne, da er ja nicht wisse, ob wir Mörder seien. Als er kurz darauf vom Parkplatz abbiegen wollte, startete ich einen neuen Versuch und schaffte es letztendlich, ihn davon zu überzeugen, dass wir ihn nicht umbringen würden. Nun kommt das Interessante an der Geschichte: Nach ein paar Minuten sprach er das Thema Religion an, womit er bei uns eher mäßig Begeisterung hervorbringen konnte. Als Wolfram kurz darauf sagte, dass er manche Teile der Bibel glaube und manche nicht, hatte der Fahrer sein Fressen gefunden. Der ex-Knacki und sich selbst als Priester Bezeichnende startete nun eine Predigt, die sich gewaschen hatte. Im Zuge dessen brachte er noch seine Lebensgeschichte als perfekten Gottesbeweis an uns. Schließlich habe er wegen Mordes (!!!) im Gefängnis gesessen, sei dann auf Drogenhandel umgestiegen (sonst Todesstrafe, wenn nochmal erwischt, you know), bis ihn schlussendlich Gott bekehrt habe. Nun bitte einmal das Kopfkino anschmeißen, denn unsere Gesichter in dieser Sekunde sollte man sich mehr als gut vorstellen können. Ein Glück, dass der gute Mann bereits bekehrt worden war, ansonsten hätte ich den Lift an dieser Stelle bevorzugt abgebrochen.
Anschließend ging es weiter über einen BMW X3 Bonzen, der uns noch in sein Restaurant einladen wollte, einen eher wortkargen Dachdecker, der auf seiner Ladefläche bereits einen Maliflüchtling geladen hatte, bis hinein nach Pretoria. Leider fuhr der letzte Lift nur bis zum Westen Pretorias, während wir in den Osten mussten. Dies gelang uns folglich mittels mehrerer Minitaxis und kurzem Fußweg durch die Innenstadt (die uns, später angekommen, als der definitiv und auf jeden Fall zu umgehende Stadtteil Pretorias beschrieben wurde, da dort nur Schwarze leben würden und eine hohe Kriminalitätsrate herrsche). Generell muss ich sagen, dass mich Pretoria eher schockiert, als begeistert hat. Die Schönheit übersteigt den Durchschnitt nicht wirklich und die meisten Grundstücke, die mit als Häuser zu bezeichnenden Gebäuden bebaut sind, gleichen Hochsicherheitsgefängnissen. Um jedes, aber auch jedes Grundstück ist eine Begrenzung angelegt, die Unbekannten sehr deutlich zeigt, dass sie nicht willkommen sind.
An der Deutschen Schule selbst wurde, wie der Name schon vorwegt nimmt, erstaunlich viel, aber auch gut deutsch gesprochen. Der ein oder andere Südafrikaner sprach sogar so gut und akzentfrei deutsch, dass ich hätte schwören können, sie seien Deutsche. Auf dem recht großen Oktoberfest fühlte man sich unter der bayerischen Musik und einem kühlen Hellen doch gleich selbst ein bisschen "dahoam". Auch das Karussel brachte trotz langer Wartezeit eine Menge Spaß. Wer weiß, wann ich das nächste Mal die Gelegenheit dazu haben werde? Erstaunlich war an diesem Abend vor allem, wie die Buren dieses typisch deutsche Volksfest zelebrierten. Der ein oder andere fühlte sich mit seinem Peter-Pan Hut und seinem Weißbier doch glatt selbst als Bayer und sang textsicher von "Anton aus Tirol" über "Einen Stern" bis hin zum "Ententanz" mit. Gegen ein Uhr Nachts, was nach südafrikanischer Uhr schon sehr spät ist, ging es dann auch für uns ins Bett, am nächsten Morgen sollte es schließlich schon um 9 Uhr in die Mall gehen.
Dieses Vorhaben stellte sich mal wieder als schwieriger heraus, als gedacht. So brauchten Wolfram und ich für 10 Kilometer bis zur Mall circa zwei Stunden. In der Mall konnten wir zwar ein paar schöne Dinge einkaufen, die Mall überzeugte an sich aber nicht so sehr, als dass es diesen Aufwand wert war.
Das Hiken zurück starteten wir folglich etwas zu spät und konnten nur mit Glück überhaupt noch nach Hause kommen. Da war zum einen die nette, junge Studentin aus Pretoria, die eigentlich nur innerhalb Pretorias nach Hause fahren wollte, sich aber stattdessen spontan entschied, uns einfach so 80 km weiter bis nach Rustenburg zu bringen. Die gute Frau hätte uns auch die gesamten 230 Kilometer bis nach Hause gefahren, doch wir fanden, dass das etwas zu viel des Guten gewesen wäre. Zum anderen war da noch die fünfköpfige Familie, die uns auf ihrem riesigen Pick-Up bis irgendwo hin in die Pampa fuhr und der wirklich eher unsympathische, nach Bier stinkende Farmer, mit dem wir trotzdessen großes Glück hatten, dass er uns aus der Pampa bis nach Swartruggens brachte. Den Rest des Weges fuhren wir mit einem Minitaxi (nun war es schon dunkel geworden, oh-oh) und einem netten Farmer aus der Gegend, der sogar noch ein Stück weiter fuhr, um uns direkt am Farmweg rauszulassen. Kaputt und erschöpft (ich hab immer noch Fuß und Popo!) kamen wir endlich an der Farm an und es dauerte auch nicht lange, bis wir in unsere Betten fielen.
Kelapile! Aber 460 Kilometer trampen in zwei Tagen ist mit Sicherheit eine akzeptable Leistung.
Da ich mich immer noch ein wenig vom Wochenende gezeichnet fühle, werde ich mich nun auch schnellstmöglich ins Bett bewegen. Wie gesagt, die Uhr tickt hier (obwohl keine Zeitverschiebung) irgendwie anders! Also bis dahin...